Aus der Kirchengeschichte Fischerhudes
Im Zusammenhang mit dem fränkischen Landesausbau nach den Sachsenkriegen Karls des Großen dürfte Widagheshude (die Hude des Widdag) – neben mehreren Kleinsiedlungen in der Wümme-Niederung - eine der Ursprungszellen des späteren Dorfes Fischerhude gegründet worden sein. Gemäß den Überlieferungen des Ottersberger Amtmannes und Geschichtsschreibers Kelp von 1694 sowie einer Notiz im Arberger Lagerbuch besuchten die Einwohner zunächst die Gottesdienste in der Arberger Kirche.
Wilstedter Kirche
Nach der Errichtung der Wilstedter Kirche in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts waren die Fischerhuder nach Wilstedt eingepfarrt. Ende des 15. Jahrhunderts erhielt der Wümme-Flecken ein eigenes Gotteshaus: Die heutige Fischerhuder Liebfrauenkirche erhebt sich auf der Stelle einer mittelalterlichen Kapelle, die in einem Kaufbrief aus dem Jahre 1494 als Kapelle Unser leven Frouwen erstmals erwähnt wird. Damals wurde das Gotteshaus mit einem Hof in Buchholz ausgestattet - im Zusammenhang mit seiner sehr wahrscheinlich im selben Jahr vollzogenen Gründung. 1764 notiert nämlich der Fischerhuder Kapellenprediger J. M. Diecmann: Von der Fundation dieser Capelle soll nach schriftlicher Anzeige meines ehemaligen Antecessoris nachstehender Zettel im Fischerhuder Altar befindlich gewesen sein: Hoc altare est aedificatum in honorem B. Mariae virginis Ao. MCCCCLXXXXIV.1 Dazu passt die ebenfalls 1764 aufgrund einer alten Tradition verfasste Überlieferung des Stader Generalsuperintendenten Pratje, dass die Kapelle von dem Verdenschen Dom Capitel fundirt, und von dem Bischoff Conrad eingeweyhet sey.
Fischerhuder Kapelle
Am 24. Januar 1494 war der Dominikanermönch Conradus Antonii zum Titularbischof von Dionysien geweiht und zugleich zum Weihbischof von Verden bestellt worden; er wird die neuerbaute Fischerhuder Kapelle geweiht haben. Die in die Vorderwand des heutigen Altares eingelassene Marienstatue dürfte bereits auf dem Hauptaltar der ersten Fischerhuder Kapelle ihren Platz gehabt haben. Auch die in der heutigen Kirche aufgestellten Bilder der Heiligen Katharina (umgearbeitet aus einer Anna Selbstdritt) sowie der Heiligen Dorothea sowie ein vergoldeter Priesterkelch stammen aus der Anfangszeit des Fischerhuder Gotteshauses.
Die Fischerhuder Kapellengemeinde bildete eine Filiale der Mutterkirche zu Wilstedt. Doch der Weg dahin war weit. Die Fischerhuder „ergänzten“ die geistliche Versorgung durch die Wilstedter Priester bzw. Pastoren durch zusätzliche, eigenfinanzierte Kräfte. Nach der Überlieferung von Kelp (1694) wirkte im Spätmittelalter an der Fischerhuder Kapelle ein Karmeliter-Eremit aus Köln. Auch ein Bruderschaftsbrief der Fischerhuder Gemeinde von 1498 mit dem Kölner Karmeliterkloster zeugt von einer alten Verbundenheit mit den Bettelmönchen. Nach der Reformation hielt der örtliche Schullehrer in der Kapelle Gottesdienste für Alte und Kranke ab, denen er aus der Predigt-Postille vorlas. In verschiedenen Anläufen versuchten die Fischerhuder in den folgenden Jahrhunderten, sich gegenüber der Wilstedter Gemeinde zu verselbstständigen, was unter anderem deswegen immer wieder scheiterte, weil die Oldenburger Herzöge, die in Nachfolge des Klosters Rastede das Patronat über die Gotteshäuser in Wilstedt und Fischerhude innehatten, ihre Zustimmung verweigerten. Mit der Anlage eines eigenen Kirchhofes um die Kapelle im Jahre 1825 wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit getan.
Fischerhuder Kirche
1841 riss man die mittelalterliche, 1720 erweiterte Kapelle ab und errichtete eine Kirche im spätklassizistischen Stil, in der dann 1852 der erste eigene Fischerhuder Pastor eingeführt wurde. 1859 holten die Fischerhuder ihre alten Grabsteine vom Wilstedter Friedhof und fügten sie in die Kirchhofsmauer um ihre Kirche ein. Knapp zehn Jahre später kam das Dorf Quelkhorn zur Gemeinde, was eine Erweiterung und Aufstockung der Kirche nach sich zog. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden viele Menschen in Fischerhude und Quelkhorn von der Erweckungsbewegung erfasst; sie führte zu heftigen Auseinandersetzungen und zur Separation von einer Gruppe von Gemeindegliedern, die sich dem Baptismus zuwandten.
Zu den bleibenden Früchten der Erweckungsbewegung gehört der 1867 vom „hannoverschen Posaunengeneral“ Pastor Nicolassen gegründete Posaunenchor, einer der ältesten Chöre der hannoverschen Landeskirche. In der Zeit des Nationalsozialismus sammelte sich in Fischerhude und Quelkhorn um Pastor Günter Tidow eine starke Gruppe der Bekenntnisgemeinschaft.
M.R.
1 Pfarrarchiv A 110; Übersetzung: „Dieser Altar ist im Jahre 1494 zu Ehren der lieben Jungfrau Maria erbaut worden